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70.3 Weltmeisterschaft Nizza

Das war meine erste Weltmeisterschaft, ein Event, auf das ich ein Jahr hingefiebert habe und für das ich jeden Tag im Training Gas gegeben habe. Bei dem Versuch meine Gedanken zu sortieren und das Rennen Revue passieren zu lassen, nehme ich euch gerne mit.

Die Ausgangslage

Für meine erste Weltmeisterschaften habe ich meine Erwartungen bewusst niedrig gesteckt. Das Starterfeld war das bisher größte Profi-Feld bei einer WM und sehr stark besetzt. Die Athletinnen, die ich bereits geschlagen hatte konnte ich an 3 Fingern abzählen, die, die mich bereits geschlagen hatten, an 2 Händen. Gegen den Rest war ich zuvor noch nie angetreten, aber nach Joels und meiner ausgiebigen Recherche, stand hinter den meisten Namen ein „zu schnell für Anne“. Meine Stimmungslage war gemischt: natürlich war ich glücklich, dass ich die Quali geschafft habe und freute mich sehr darauf, dabei zu sein, aber letzte wollte ich auch nicht werden. 

Erste Tage in Nizza

Dienstag Abend ging es los in Richtung Nizza. Nach einer kurzen Nacht im VW-Bus, sind wir Mittwoch Morgen in Vence angekommen. Vence ist ein kleines Örtchen am Fuße des Col de Vence, über den die Rennstrecke führt und den ich mir nochmals gut anschauen wollte. Joel begleitete mich und gemeinsam radelten wir gemütlich den Berg hoch. Viele Athleten machen beim Streckencheck den Fehler, dass sie sich von der Rennstimmung und den anderen Athleten dazu verleiten lassen, zu viel Gas zu geben. Am Anstieg wurden wir entsprechend zahlreich überholt, auf der Abfahrt gaben wir dann aber etwas mehr Gas. Die vielen Kurven und der schlechte Straßenbelag machen die Abfahrt anspruchsvoll und einige Abschnitte fuhr ich mehrfach ab, um sie mir gut einzuprägen. Knapp 3h später waren wir wieder am Auto und fuhren nach Nizza zur Unterkunft. Donnerstag Früh standen noch zwei Trainingseinheiten auf dem Plan, bevor es um 12 Uhr zur Wettkampfbesprechung ging. 

Aufgeregt, wie ich war, bin ich extra früh los gelaufen und habe mir auf der Karte genau anschaut, wo die Besprechung stattfindet. Es war nur komisch, dass kein anderer Profiathlet dort war. 5 vor 12 bin ich auf eine Australierin getroffen, die ein ähnlich großes Fragezeichen im Gesicht hatte wie ich. Gemeinsam fragten wir uns durch, rannten einmal an der Promenade entlang und kamen gerade noch rechtzeitig zur Besprechung. Für mich war die Wettkampfbesprechung mit den ganzen Triathlon-Superstars schon ein kleines Highlight. 

Der Freitag verlief entspannt mit einer lockeren Runde Schwimmen im Meer und anschließend einem Kaffee mit Freunden. Das Rad war geputzt und gerichtet, die Beutel ebenso und mich konnte selbst ein Unwetter mit heftigem Regen beim Einchecken nicht aus der Ruhe bringen.

Der Rennmorgen

Um 3:50 Uhr klingelte Joels Wecker, wir waren sofort hellwach. Inzwischen sind wir an Wettkämpfen als Team ziemlich routiniert und so verlief der Morgen ohne Zwischenfälle. Anziehen, Frühstück und dann mit dem Rad zur Wechselzone. Punkt 5 Uhr war ich an der Wechselzone und habe mein Rad fertiggemacht und die Flaschen aufgefüllt. Nach circa 5 Klo-Stopps – inzwischen war ich doch nervös – etwas Zugseil und einer Banane, zog ich meine Swim-Skin über den Anzug und ging zum Start. Einen Neo durfte ich leider nicht anziehen, weil die Wassertemperatur mit 24 Grad oberhalb der Neo-Grenze für die Profis lag. Die Altersklassenathletinnen durften dagegen im Neo schwimmen. Noch mehr als im Wasser habe ich den Neo an Land vermisst, denn mit 17 Grad Außentemperatur war es im Triathlonanzug doch arg frisch und die 20min Warten bis zum Start zogen sich ziemlich in die Länge. Währenddessen kam aber langsam die Sonne zum Vorschein. Um kurz vor 7 Uhr wurde die Top 10 der Athletinnen namentlich vorgestellt, anschließend durften wir anderen zur Startlinie laufen und uns aufstellen. Ich hatte einen guten Platz in der ersten Reihe ergattert und kurz bevor es log ging, dachte ich nur „es ist so genial, hier dabei zu sein“. 

 

auf dem Weg zum Rad
Meine Schwester Katrin an der Wechselzone

1,9km Schwimmen

Punkt 7 Uhr stürzten 45 Profi-Frauen gleichzeitig ins Meer. Es war ein Gedränge, wie ich es noch nie erlebt habe. Die ersten Meter war ich bemüht nicht zu viel Salzwasser zu schlucken, regelmäßig Armen auszuweichen und irgendwie eine gute Position zu ergattern. Ich hatte gehofft, dass ich am Ende einer Gruppe irgendwie mitschwimmen kann und tatsächlich habe ich Füße gefunden, hinter denen ich mich gerade so halten konnte. Nach ca. 800m stoppte die Schwimmerin vor mir auf einmal und nun war ich diejenige, die die Gruppe anführte. Nicht gerade ideal, aber man muss es nehmen wie es kommt und so versuchte ich möglichst direkt zu den Bojen schwimmen. Das war gar nicht so einfach, denn das Meer war voller Kanus und Booten, so dass ich die Bojen oft nicht gut erkennen konnte. Nach 31:07min war die erste Disziplin vorbei und gemeinsam mit der Französin Jeanne Collonge rannte ich in die Wechselzone. Die meisten Fahrräder waren schon weg, aber ein paar standen noch da, ich lag auf Platz 32 – „Puh, nicht letzte!“.

90km Rad – 1200 Höhenmeter

Der Radkurs geht die ersten 10km flach dahin, bevor es 30km beständig bergan geht. Ich blieb zunächst hinter Jeanne, die wirklich starke Beine hatte. An den ersten steilen Rampen ließ ich sie jedoch davon fahren, denn mit meinem Trainer Marco hatte ich ausgemacht, diese ersten Anstiege nicht zu hart zu fahren. Die Taktik ging gut auf, auf dem langen Anstieg zum Col de Vence hoch konnte ich Platz um Platz gut machen. Die Abfahrten hinunter haben unglaublich Spaß gemacht und zwischendurch gab ich auch mal ein lautes „Jippieh“ von mir. Es lief einfach gut und ich konnte ohne ein großes Risiko einzugehen, flüssig fahren und weiter aufholen. Mit der 15. Radzeit kam ich in einer größeren Gruppe in die zweite Wechselzone. 

21,1km Laufen

Den Wechsel vom Rad aufs Laufen habe ich leider etwas vermasselt. Meinen Laufbeutel habe ich wegen des Regens am Vorabend zugeknotet und diesen Knoten nicht direkt auf bekommen. Das hat etwas Zeit gekostet, so dass ich als letzte aus meiner Gruppe die zweite Wechselzone verlassen habe. Meine Beine haben sich gut angefühlt, trotzdem habe ich beschlossen nicht direkt los zu preschen und die verlorenen Sekunden aufzuholen, sondern bin mein Tempo gelaufen. In den letzten Rennen habe ich oft den Fehler gemacht, dass ich zu schnell angelaufen bin und es hintenraus dann bereut. In Nizza wollte ich mich schlauer anstellen. Der Laufkurs besteht aus zwei Runden, die entlang der Promenade führen. Im Prinzip geht es 5km in die eine Richtung und 5km wieder zurück. Bis Kilometer 15 bin ich konstant 4:07min/km gelaufen, auf den letzten 5km wurde es dann sehr hart und ich konnte die Geschwindigkeit nicht ganz halten. Im Ziel hatte ich einen Schnitt von 4:10min/km. Einen richtigen Einbruch, so wie im Allgäu vor 2 Wochen konnte ich also glücklicherweise vermeiden. Insgesamt bedeutete das eine Endzeit von 4:49h und Rang 20. 

Fazit

Auch ein paar Tage nach dem Rennen, bin ich zufrieden mit dem Ergebnis. Betrachtet man jede Leistung für sich, war es genau das, was ich im Training trainiert habe. Im Schwimmen, im Radfahren und auch im Laufen. Dass ich mit dieser Leistung in die Top 20 bei einer WM komme, freut mich natürlich sehr und gibt mir Motivation für die nächsten Wochen. Die WM hat mir aber auch gezeigt, dass ich aber in allen drei Disziplinen noch zulegen muss, denn von den Mädels ganz vorne bin ich doch noch ein ganzes Stück entfernt. Die Woche in Nizza war aber auch deshalb schön, weil neben Joel meine Eltern, meine Großeltern, meine Patentante mit Mann, meine Schwester und mein Onkel Vorort waren, um mich zu unterstützen. Vielen Dank, dass ihr dabei gewesen seid!

Titelbild und Laufbild: Carla Nagel (vielen Dank!)